TORNERANNO I PRATI

DIE WIESEN WERDEN BLÜHEN

Am Anfang sind nur Stille und Schnee und das Licht des Mondes auf einer Hochebene. Der friedliche Anblick erweist sich jedoch als trügerisch, wir befinden uns an der Frontlinie in den italienischen Alpen während des Ersten Weltkriegs. Gerade herrscht Waffenruhe, ein Soldat singt für die eigene Einheit, für die Feinde und für sich selbst. Die Soldaten sind krank, verletzt und erschöpft. Der Vorstellung vom eigenen Tod begegnen sie eher mit Resignation als mit Angst. Die Schüsse rücken wieder näher. Es werden Befehle erteilt, die ein sicheres Sterben bedeuten. Ein Kamerad erschießt sich, bevor ihn draußen der Feind niederstreckt. Das Artilleriefeuer zwingt die Soldaten zum Rückzug. Zurück bleiben die Gefallenen, nur notdürftig bestattet im tiefen Schnee.

Die eindrucksvollen Aufnahmen zeigen die Schönheit der Natur als verlorene Idylle und vermitteln einen Eindruck von der Verlorenheit der Soldaten. Ermanno Olmi, einer der großen Altmeister des italienischen Kinos, erzählt von der Sinnlosigkeit des Krieges und berührt mit einem universellen Humanismus, der weder auf Religion noch auf Ideologien zurückgreift. (Katalog Berlinale)

Regie: Ermanno Olmi
Drehbuch: Ermanno Olmi
Kamera: Ermanno Olmi
Schnitt: Paolo Cottignola
Ausstattung: Giuseppe Pirrotta
Musik: Paolo Fresu
Produktion: Cinema Undici, Ipotesi Cinema
Darsteller: Claudio Santamaria (Offizier),Alessandro Sperduti (junger Oberleutant),Francesco Formichetti (Hauptmann), Andrea Di Maria, Camillo Grassi, Niccolò Senni, Domenico Benetti, Andrea Benetti, Andrea Frgo, Franz Stefani, Igor Pistollato

Italien 2014
80 Minuten, OmU

Cinema!Italia! Cinema!Italia!

Der Film ist meinem Vater gewidmet, der  Infanterist im ersten Weltkrieg war. Er war neunzehn Jahre alt, als er eingezogen wurde. Mein Vater fand sich in dem Gemetzel im Karst und an der Piave wieder, was seine Jugend und den Rest seines Lebens zeichnen sollte. Ich war noch ein Kind, als er mir und meinem älteren Bruder vom Schmerz des Krieges erzählte, von jenen schrecklichen Augenblicken, wenn man auf den Befehl zum Angriff wartet und weiß, dass einen dort am Rande des Schützengrabens der Tod erwartet.
Ermanno Olmi

Cinema!Italia! Cinema!Italia!

Der Titel von Ermanno Olmis wunderschönem Film Torneranno i prati ist alles andere als tröstend gemeint. Voller Bitterkeit spielt er auf die Geschichte der vielen tausend unter dem Schnee begrabenen Opfer des Ersten Weltkriegs an, die schnell vergessen wurden, sobald Gras über sie wuchs, das heißt, als wieder Frieden herrschte. Zusammen mit diesen Toten erweckt der Film das Grauen eines Krieges zum Leben, der so ungerecht und inakzeptabel war alle Kriege: dies ist die starke und radikale Botschaft eines Altmeisters des italienischen Films, der mit Torneranno i prati eine Art traumähnliche Fantasie auf die Leinwand bringt. Im fahlen Mondlicht, das jedem Ding in einem metaphysischen Schwarz-Weiß seine Farbe nimmt, erschafft er einen bewegenden Appell gegen die Schlachtfelder und die Mächtigen.
Alessandra Levantesi, La Stampa

Ein verhältnismäßig kurzer Film von knapp 80 Minuten, aber von einer beeindruckenden menschlichen Reichweite. In seiner ihm eigenen religiös-antimilitaristischen Art schildert der 83-jährige Regisseur die Nacht in einem Vorposten italienischer Soldaten an der Front während des harten und blutigen Winters 1917. Auf eine konventionelle Handlung verzichtet Olmi, um auf die eindringlichste Weise einen menschlichen Zustand zu beschreiben, der eine Ewigkeit anzudauern scheint: das Warten in nackter Angst, das gleichzeitig von dem unwirklichen Staunen über die flüchtigen Erscheinungen der Tiere in der unberührten Naturkulisse kurzzeitig gemildert wird. Bis das Kommando anordnet, einen neuen Vorposten auf der Spitze des Berges zu errichten, und sich die  Soldaten im hellen Mondlicht dem gnadenlosen feindlichen Angriff stellen müssen.
Valerio Caprara, Il Mattino

Ermanno Olmi (*1931, Bergamo), Kind einer bäuerlichen Familie, nähert sich dem Film in den Fünfzigerjahren, indem er Dokumentarfilme für die Elektrofirma EdisonVolta dreht. Nach seinem erster Spielfilm Il tempo si è fermato(1959) gründet er die Produktionsfirma „22 Dicembre“, um sich ganz dem Kino zu widmen. 1978 gewinnt er mit L’albero degli zoccoli das Festival von Cannes. Lunga vita alla signora (1987) und La leggenda del santo bevitore (1988) werden in Venedig mit dem ersten Preis ausgezeichnet. 1982 gründet er die Filmschule „Ipotesi Cinema“. Unter seinen neueren Filmen sind Il mestiere delle armi (2000), Centochiodi (2005) und Il villaggio di cartone (2011) besonders nennenswert.